Freitag,
22. August 2003
Trainer
Tagebuch der Japanreise der Cordi C – Sonderklasse
Beim Weckgang
schliefen noch alle Kinder, der Körper holt sich halt die nötige
Erholung. Ein oder zwei Jungs bestanden darauf, höchstens 20 Minuten
geschlafen zu haben, aber das kann man wohl getrost in das Reich der
Fabeln verweisen.
Das Frühstück wurde wie gewohnt im siebten Stockwerk zu sich
genommen, mit Blick auf die angeschlossene Radrennbahn und den
umliegenden Stadtteil Shizuokas. Das Wetter zeigte sich (leider) von
der besten Seite, was wiederum hohe Temperaturen und eine erdrückende
Luftfeuchtigkeit versprach.
Der Start mit dem
eigenen Bus erfolgte pünktlich um 8.15 Uhr in Richtung Kusanagi
Sportsarea. Und der Begriff Sportsarea ist nicht untertrieben. Schon
von weiten konnte man eine große Anzahl Lichtmasten in einer
Dimension erkennen, die jedem internationalen Standard gerecht wurden.
Unsere ersten Spiele fanden im kleinen Stadion
statt, das eine geschätzte
Kapazität von 8.000 Zuschauern Platz böte. Wer das Stadion
Marienthal kennt, weiß um das gar nicht so schlechte Flutlicht bei
uns. Aber alleine im kleinen Stadion hatte ein Lichtmast die Kapazität
des gesamten Marienthals! Das große Kusanagi Stadion
(mindestens
20.000 Plätze) stellte alleine einen Scheinwerferhaufen schon auf
zwei Betonsäulen, damit die Statik stimmte. Über die Anzahl der
Lampen eines Lichtmastes schweige ich lieber... Auch die Anzeigentafel
war so groß, dass der HSV beim Anblick dieses Provinzstadions schon
Tränen in den Augen haben müsste.
An diese Stadien war noch ein großes Baseball-Stadion, eine riesige
Sporthalle (die Alsterdorfer ist dagegen eine Schulsporthalle) und ein
zusätzlicher Sportplatz mit Laufbahn und des weiteren angeschlossen.
Am Freitag spielten
wir also im kleinen Kusanagi, und durften unser erstes Spiel gegen
Central East Division-Auswahl der Präfektur Shizuoka spielen. Jedes
Spiel wurde von einen vierköpfigen Schiedsrichterteam geleitet, wobei
der vierte Schiedsrichter nur für die Auswechslungen zuständig war.
Wir durften in jedem
Spiel sieben Ergänzungsspieler einsetzten, und die ausgewechselten
Spieler auch erneut einsetzten. Bei diesen Temperaturen war das auch
zwingend notwendig.
Nun war es aber
Pflicht, jede Auswechslung schriftlich anzumelden, mit Unterschrift
des Trainers. Wer mich kennt, und weiß wie gerne und wie viel ich
wechsle, kann sich vorstellen, dass ich die meiste Zeit nur am
unterschreiben irgendwelcher Wechselzettel war. Puh, das artete schon
fast in Arbeit aus...
Mit dem unterschrieben Zettel, auf dem stand welcher Spieler das Feld
verlässt und welcher Spieler dafür ins Spiel kommt, musste der neue
Spieler zum vierten Schiedsrichter. Bei der nächsten Unterbrechung
wurde nach Kontrolle der Schuhe und Schienbeinschützer der Spieler
mit Anzeigentafel gewechselt.
Das kam dem großen Fußball schon sehr nahe!
Wir gewannen dieses
Spiel verdient mit 4- 1, und ich erhielt schon hier einen ersten
Einblick in die gute Ausbildung der japanischen Fußballer.
Das Mittagessen wurde
in Form von Sandwichs gereicht, allerdings machte mir die große Wärme
so sehr zu schaffen, dass ich überhaupt keinen Hunger verspürte.
Stattdessen musste ich mich eine halbe Stunde hinlegen, da war es mir
auch egal, dass die einzige Möglichkeit dazu im Raucherzimmer war.
Unser zweites Spiel
sollte nun gegen den Nachwuchs des J-League Vertreters Yokohoma F
Marinos stattfinden. Schon beim Aufwärmen konnte ich die technischen
Fähigkeiten bewundern, und im allgemeinen galt dieses Team auch als
Turnierfavorit.
Diese Meinung fand
auch in der Spielbesprechung Einzug, so dass die Kinder schon wussten,
was da auf sie zu kommen
sollte.
Es kam aber noch schlimmer als erwartet! Der Gegner spielte nicht nur
gegen uns, sondern auch mit uns. Zu einer technischen Überlegenheit
kam eine Schnelligkeit, ein taktisches Verhalten und eine
Spieleinstellung, die uns an den Rand der Verzweiflung treiben sollte.
Jeder unserer Fehler wurde gnadenlos ausgenutzt. Zur Halbzeit stand es
1 – 0 für Yokohama. In der Halbzeit galt es die Köpfe zu
beruhigen, denn der ein oder andere war der Verzweiflung nahe. Unter
Berufung auf unsere mentale Stärke, die Fähigkeit, Rückstände
durch Einsatz und Kampf wett
zu machen, gingen wir in die zweiten 25 Minuten.
Nun kannten wir das
Spiel durchaus ausgeglichener gestalten, aber eine richtige Torchance
sprang nicht für uns heraus. Stattdessen wurden individuelle
Stellungsfehler zu zwei weiteren Toren genutzt. Der Endstand von 3-0
war mehr als verdient für die Yokohama Marinos.
Für meine Spieler
war das einmal die Möglichkeit, sich wie SC Europa oder SC Eilbek zu
fühlen. Gegen einen übermächtigen Gegner spielen zu müssen, ist
nicht so einfach. Diese Rolle war den meisten bislang unbekannt.
Nach diesem Spiel
ging es also wieder in Richtung Lodge, und unsere Damen Ulrike und
Dagmar kümmerten sich sofort aufopferungsvoll um die schmutzigen
Trikots. Waschen, Trocknen und Zusammenlegen von 32 Shorts, 4
Torwarttrikots, 32 Trikots, 4 Torwarthosen und 80 Stutzen machen doch
eine Menge Arbeit.
Währenddessen
zwangen sich Bernd, Keiko und ich in feinen Zwirn, denn für diesen
Abend stand das große Treffen aller Delegationsleiter und Begleiter
auf dem Programm.
Währenddessen kümmerten sich die heimgebliebenen um eine
entsprechende Abendgestaltung.
Mit einem Taxi ging
es zu einem ziemlich noblem Hotel, und wir erlebten einen sehr
entspannten Abend mit vielen Offiziellen und
Persönlichkeiten der Präfektur
Shizuoka. Das Essen war hervorragend, die Getränke und Gesprächspartner
vorzüglich. Viele Visitenkarten wechselten die Besitzer, nachdem die
offiziellen Grußworte des Kulturministers Mr. Goto
gesprochen waren.
Mit einer Menge
Eindrücke und einer großen Anzahl verteilter Vereinsgeschenke durch
Bernd ging es also zurück in Richtung Schlaf für den nächsten
Tag...
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